Brücken bauen ... zur gemeinsamen Mitte

Kapitel: Friedensmal des Wandels / Brücken bauen


Von lokalen Wurzeln zur universellen Botschaft

Das Friedensmal repräsentiert eine wichtige konzeptionelle Entwicklung: Es wurde im Jahr 2013 als 'Jerusalem Friedensmal' mit dem Fokus auf die deutsch-jüdischen Beziehungen in Jerusalem eingeweiht. Diese historisch belasteten Beziehungen haben auch heute noch einen enormen Einfluss auf die Menschen und die Politik. Daher ist es von großer Bedeutung, die damit verbundenen Traumata aufzuarbeiten, um eine 'Wiederholung der Vergangenheit in einem anderen Gewandt' zu verhindern.

Im Laufe von 26 Jahren seit dem Beginn des Projektes im Jahr 1998 stellte sich jedoch heraus, dass der direkte Weg der deutsch-jüdischen Versöhnung durch das Denkmal nicht ausreichend funktionierte, da das historische Trauma Strukturen schuf, die Heilung verhindern. In einem kreativen Prozess wandelte sich daher die Ausrichtung des Friedensmals: Aus dem Versuch, durch das Denkmal das Jüdische in der deutschen Kultur zu erklären und damit eine Brücke des Verständnisses innerhalb der deutschen Kultur zu bauen, entwickelte es sich zu einem universelleren Symbol spiritueller Versöhnung und Heilung.

Der Ansatz wurde als '
Friedensmal des Wandels' erweitert. Damit soll die Traumaaufarbeitung in einem größeren internationalen und interreligiösen Kontext als weltweite Aufgabe erkannt werden - nicht mehr nur auf das spezifische deutsch-jüdische Verhältnis bezogen, sondern auf die Menschheit.

Der Name 'Yerushalayim' (Jerusalem) auf dem 'Stein der Begegnung' verweist auf eine der Wurzeln der deutschen Kultur; die christlich-jüdische. Das zeigt sich auch in der Formensprache des Denkmals. Mehr über die Bedeutung des Namens
Jerusalem können Sie im Kapitel 'Yerushalayim' erfahren. Das Bewusstsein der eigenen Herkunft ist wichtig, um in dieser Verwurzelung Kraft zu finden, wieder als Individuum oder Nation ins Licht wachsen zu können. Indem das Friedensmal nun mit seiner universalen Spiritualität verschiedene Religionen und Weltanschauungen anspricht, wird das zur Grundlage einer notwendigen kollektiven Heilungsarbeit - jenseits einzelner kultureller oder religiöser Grenzen.

So öffnet sich das Friedensmal für einen breiteren Zugang unterschiedlicher Zielgruppen, ohne die Wurzeln zu verleugnen. Vielmehr soll das Jüdische, symbolisiert durch Elemente wie "Yerushalayim" und "Chai", in einem universellen Kontext gezeigt werden, damit die darin enthaltenen für alle gültigen menschlichen Werte Nationen und Kulturen verbinden kann. Das sei auch ein konkreter Ausdruck der Versöhnung im deutsch-jüdischen Verhältnis, der durch diesen achtsam in die Welt gebrachten erweiterten Ansatz vielleicht auch erst von beiden Seiten angenommen werden kann. Auf diese Weise wird das Friedensmal zu einem Symbol universeller Versöhnung und Heilung, das Brücken zwischen den Kulturen baut.


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Herausforderungen und Erfahrungen

Die Entwicklung des Friedensmals war geprägt von Herausforderungen, die im März 2024 eine Erweiterung des Konzeptes erforderlich machten. Die Zusammenarbeit mit Organisationen im Bereich 'Erinnerungskultur' war herausfordernd. Trotz Bemühungen stieß ich oft auf Zurückhaltung, was die Sensibilität historischer Belastungen offenbarte. Ein zentrales Hindernis war der Umgang mit der NS-Vergangenheit in Deutschland. Die Instrumentalisierung der Geschichte für politische Zwecke, oft im Kontext eines 'Kampfes gegen Rechts', erschwerte einen offenen Dialog. Dies beeinträchtigt die Fähigkeit, aus der Geschichte zu lernen und die Zukunft zu gestalten. Die Praxis, Gegner vorschnell als "Nazis" oder "Antisemiten" zu diffamieren, untergrub konstruktiven Austausch. Dies führte zu Missverständnissen über die Ziele des Friedensmals und beeinflusste seine Rolle als neutraler Dialogort.

Der Konflikt im Gazastreifen stellt eine zusätzliche Herausforderung dar, denn das Friedensmal war im Rahmen "50 Jahre Beziehungen zwischen Deutschland und Israel" eingeweiht worden. Das Friedensmal, ursprünglich als Raum für Reflexion und Versöhnung gedacht, geriet wegen der geschilderten Gründe zunehmend in einen politisch aufgeladenen Kontext, was seine Reichweite und Wirkung in der breiten Bevölkerung beschränkte. Diese Situation und die begrenzte Unterstützung aus der Politik und den Organisationen führten zur Entscheidung, das Friedensmal als 'freie Kunst für den Frieden' neu zu definieren, unabhängig von spezifischen Gruppen, Religionen und Nationen. Der Bezug zu 'Jerusalem' sollte jedoch erhalten bleiben, aber in einen breiteren Rahmen universeller Spiritualität und Versöhnung eingebettet sein.


Klagemauer


Rückbesinnung auf die Wurzeln

Die Vision des 'Jerusalem Friedensmals', die so lange dieses Projekt beseelte, bleibt weiterhin ein essentieller Bestandteil. Trotz der Öffnung für einen universelleren Ansatz und der veränderten Welt, in der wir leben, soll die Ursprungsidee gewürdigt werden: Am Waldrand entsteht ein Ort der Besinnung - das 'Traumreich'. Hier wird das Schild 'Jerusalem Friedensmal' wieder aufgestellt als Symbol, dass Inspiration und Hoffnung auf Frieden ihren Platz finden müssen. Dieser Ort soll uns vor Machtillusionen warnen und unsere Friedensträume wachhalten.

Die Wurzeln des Friedensmals reichen tief in die jüdisch-christliche Tradition und die bewegte Geschichte der Region. Ein wichtiger Bezugspunkt ist der Standort eines ehemaligen Außenlagers des KZ Natzweiler-Struthof in der Nähe des Denkmals. Diese Vergangenheit wollen wir nicht vergessen und wir setzen uns für Frieden und Versöhnung ein. Die Namensgebung "Jerusalem Friedensmal" erhielt zudem eine zusätzliche Bedeutung durch die Entdeckung des historischen "Jerusalems am Rhein" in den Städten Worms, Speyer und Mainz. Diese Städte gelten als Geburtsstätte der aschkenasisch-jüdischen Kultur im Hochmittelalter und trugen die Bezeichnung "SchUM-Städte". Vom Friedensmal aus erblickt man die Silhouette der Stadt Worms mit ihrem markanten Dom in 22 km Entfernung.

Die Verbindung zum "Jerusalem am Rhein" wird nun über den "(Jerusalem) Stein der Begegnung" gestaltet, der an diese Geschichte der jüdischen Gemeinden am Rhein erinnert. Sowohl das Christentum als auch das Judentum gehen auf dieselben Ursprünge in den Lehren und Schriften des Alten Testaments zurück. Viele moralische Grundsätze und Weisheiten dieser gemeinsamen Wurzeln haben die abendländische Kultur über Jahrhunderte geprägt. Trotz aller Konflikte und Verfolgungen gab es immer wieder Phasen des friedlichen Zusammenlebens und des gegenseitigen kulturellen Austauschs zwischen Juden und Christen, gerade in den ShUM-Städten am Rhein.

Indem wir uns an die bewegte Geschichte der jüdischen Gemeinden in dieser Region erinnern - ihre jahrhundertealte Tradition, die bereits im 11. Jahrhundert von den grausamen Massakern und Vertreibungen durch die Kreuzfahrer und teils auch der christlichen Bevölkerung während der Kreuzzüge bedroht war, die unvorstellbaren Schrecken der nationalsozialistischen Judenvernichtung, aber auch die Phasen friedlichen Zusammenlebens und des kulturellen Austauschs zwischen Juden und Christen in den sogenannten "SchUM-Städten" am Rhein - erinnern wir uns auch an eine gemeinsame geistige Wurzel in den Lehren des Alten Testaments.

Diese vielgestaltige Geschichte, geprägt von Licht und Schatten, Leid und Versöhnung, gibt uns den Ansporn, uns entschlossen für eine friedvollere, menschlichere Zukunft einzusetzen, in der die Würde aller Menschen geachtet wird.


Herstellung des Schildes


Brücken bauen zur gemeinsamen Mitte

Das Friedensmal symbolisiert die unendliche Reise der Menschheit auf der Suche nach Frieden, Verständnis und spiritueller Einheit. Inspiriert von Sokrates' Weltsicht des 'ich weiß, dass ich nicht weiß', betont es die Bedeutung von Offenheit und intellektueller Bescheidenheit.

Mit der 'Blüte des Lebens' in seiner Mitte als metaphorische Brücke zwischen verschiedenen spirituellen und kulturellen Traditionen repräsentiert das
Friedensmal einen Weg zur Heilung und universellen Versöhnung. Das steht für das gemeinsame Streben nach einem tieferen Verständnis der Menschlichkeit und einer harmonischen Zukunft, jenseits von Vorurteilen und Projektionen.

Das
Friedensmal öffnet auf dem 'Weg nach innen' Türen zu spirituellen und philosophischen Pfaden mit demselben Ziel: Ein tieferes Verständnis unserer Menschlichkeit und das Streben nach einer friedvollen Welt. Es lädt ein, den Horizont zu erweitern und sich im Anderen wiederzuerkennen, um tiefere Einsichten in unser Sein zu gewinnen. Jede Tradition trägt zur kollektiven Weisheit und zum gemeinsamen Wachstum bei, wobei im Friedensmal das jüdisch-christliche Erbe zentraler Ausgangspunkt bleibt.

Das Friedensmal ist damit nicht nur ein Ort der Erinnerung, sondern in der Erinnerung an 'die Idee von Jerusalem' ein Symbol der Hoffnung. Es lädt ein, nicht in der Schwere der Geschichte zu verharren, sondern zu erkennen, dass die Aufgabe darin besteht, sich in individueller und kollektiver Verantwortung zu klären, zu verändern, zu wachsen und sich wie es das in der Mitte des Friedensmals gesetzte ‚Chai’ versinnbildlicht, dem Leben zuzuwenden.


Das Schild am früheren Ort


Hoffnung und Ausblick

Diese Weiterentwicklung symbolisiert die Hoffnung auf Dialog zwischen Kulturen, Weltanschauungen und Religionen. Ziel ist es, das Friedensmal als Ort des Austauschs und der Inspiration zu etablieren, wo Menschen friedvoll zusammenkommen. Es soll zeigen, wie Kunst, Kultur und Spiritualität zu Menschlichkeit und gegenseitiger Achtung beitragen können. Das Friedensmal repräsentiert nicht nur die Überwindung historischer Lasten durch eine gelebte Verantwortung, sondern auch die Entwicklung eines universellen Bewusstseins, das alle Kulturen und Glaubensrichtungen miteinbezieht.





Setzen sie die Reise im Kapitel 'Friedensmal' fort:

Philosophie - Entdecken Sie die tiefe Philosophie hinter dem Friedensmal: Ein Weg zur Versöhnung und spirituellen Einheit, geprägt durch Dialog und inspirierender Kunst für den Frieden.

'wir'-Vernetzung - Wir gestalten ein dezentrales Netzwerk von Gemeinschaften um eine Idee des Friedens und der Freiheit, ausgedrückt im Friedensmal.


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Kapitel 'Projekt: Einleitung'

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