Erbe und Identität Im Dialog mit der Vergangenheit

Die israelische Künstlerin Dganit Daddo singt im Friedensmal mit Schülern aus Haifa bei der Einweihungsfeier in Bensheim-Hochstädten.

Kapitel:
Projekt / Erbe und Identität

Einleitung

Im Kapitel „Erbe und Identität“ begeben wir uns auf eine tiefgehende Reise durch die Themen Verantwortung, Ermutigung, kulturelles Erbe, Heilung und Freiheit. Wir werfen einen Blick auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Deutschlands und erkunden, wie diese Prinzipien miteinander verwoben sind. Besondere Aufmerksamkeit schenken wir der weißen „Blüte des Lebens“ als Symbol für Reinheit und Spiritualität, die im Zentrum des Friedensmals liegt. Es ist nicht nur eine zufällige Erinnerung an eine andere weiße Blüte, die „Weiße Rose“. Dieses Kapitel legt das Fundament für unser Verständnis der nachfolgenden Kapitel und zeigt, wie wichtig es ist, wachsam gegenüber kollektivem Wahn und totalitären Entwicklungen zu sein. Es betont die Bedeutung von Freiheit und Selbstverantwortung und stellt die Frage, wie wir als Gesellschaft und Individuen für diese Werte eintreten können.



Die weiße Blüte - Aus Verantwortung für Frieden und Freiheit

Der Hang zu Kollektivismus, Neid und Untertanengeist in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bildete in Deutschland den Nährboden für Antisemitismus und totalitäre Strömungen (siehe Rezensionen). Diese historische Reflexion erinnert uns daran, wie wichtig es ist, wachsam gegenüber jedem kollektiven Wahn und totalitären Entwicklungen zu bleiben. Die Würde des Menschen gründet sich auf der Freiheit, selbstverantwortlich und aufrecht zu leben. Diese Werte der Freiheit müssen aktiv verteidigt und gelebt werden, sonst droht ihr Verlust.


Eine weiße Blüte des Schaloms und Friedens
Der Künstler Thomas Zieringer hält einen Vortrag bei einem Begegnungsfest. Anwesend waren auch die Bürgermeisterkandidaten.


In der Mitte des
Friedensmals liegt eine weiße Blüte. Das mag an die 'Weiße Rose' der Geschwister Scholl erinnert. Ihr Mut, aus tiefem Glauben heraus Verantwortung zu übernehmen, ist ein zeitloses Beispiel dafür, was es bedeutet, für Frieden und Freiheit einzustehen. Diese Symbolik ermutigt uns, das wir uns auf unseren eigenen Weg zur Reife und Verantwortung begeben. Frieden und Schalom sind dann möglich, wenn wir uns individuell und als Gemeinschaft für diese Werte engagieren.



Stille, Schönheit und die Hoffnung auf wahre Freiheit: eine große Botschaft für unsere Zeit

Dieses Kapitel vertieft das Verständnis für die subtilen Aspekte von Frieden und Freiheit. Es unterstreicht die Bedeutung von Stille und innerer Einkehr als Wege, um wahre Schönheit und Heilung zu erfahren. In der Ruhe liegt die Kraft, die leisen Stimmen des Herzens zu hören und die feinen Details des Lebens wertzuschätzen, die im alltäglichen Lärm oft untergehen.

Das Friedensmal steht als ein Ort der Stille und Besinnung. Es lädt ein, sich von der Schönheit berühren zu lassen und einen Weg der Heilung zu beschreiten. In einer Welt, die oft von der Bekämpfung negativer Aspekte dominiert wird, sollte die Wahrnehmung und Wertschätzung des Guten umso wichtiger werden – gerade jenes Guten, das im Kleinen und Stillen geschieht. Der Fokus liegt nicht auf der lauten Grandiosität, sondern auf der subtilen Schönheit. Der Lärm unserer Zeit kann uns taub machen für die leisen Töne des Lebens, die uns auf das Wesentliche hinweisen. Mit der Inschrift „Yerushalayim“ auf dem Stein der Begegnung trägt die Gedenkstätte einen bedeutungsvollen Namen, der zur Reflexion über die wahre Größe einlädt – eine Größe, die in der Einfachheit und im Detail liegt. In der Stille und im genauen Hinsehen kann ein neues Verständnis von Freiheit entstehen – eine wesentliche Hoffnung für unsere Zeit.


Verabschiedung am Jerusalem Grenzstein

Die Verabschiedung am Begegnungsstein symbolisiert, was Yerushalayim bedeuten kann: ein Miteinander, in dem sich niemand über den anderen erhebt. Wir bedanken uns beieinander (Pastor Mohr und ich). Wenn sich eine Person nur bei der anderen bedankte, so würde die eine Person größer und die andere kleiner erscheinen - aber nur im Miteinander ist da auch „Jerusalem“ zu spüren. Wir sind die dezent gekleideten kleinen Figuren rechts im Bild, aber die großen Figuren hinter uns halten ganz still und wirken in der Szene gar nicht mehr größer, leuchtender und wichtiger. Sie geben jedoch dem Raum eine Grenze und schützen das Geschehen mit ihrer Schönheit. So ergibt sich ein geschützter Raum, in dem Yerushalayim, die Vision des Friedens, sein darf.



Die Schönheit des Lebens und die Würde des Menschen

In diesem Kapitel reflektieren wir über die deutsche Kultur und ihre Licht- und Schattenseiten. Es betont die Wichtigkeit das eigene kulturelle Erbe zu würdigen, während gleichzeitig ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bewahrung und Wandel gefunden werden sollte.

Die Kultur der Deutschen hat viel Licht. Soviele Städte sind wunderbar. Philosophie, Dichtkunst und Wissenschaft sprechen für sich. Der Wohlstand der heutigen Generation ruht auf einem kulturellen Fundament, das die vorherigen Generationen mit viel Mühe und auch durch viel Leiden hindurch erbaut haben. Ohne eine Wertschätzung, ohne den Willen das Licht der eigenen Kultur auch durch die Veränderungen der Zeit hinweg bewahren zu wollen, verlöre unser Land zunächst seine Seele und schließlich seinen Reichtum. Das Verständnis, dass Leben immer Veränderung bedeutet und die Achtsamkeit das Licht der eigenen Kultur zu bewahren, dürfen in ein gesundes Gleichgewicht finden.

Doch jede Kultur bringt mit ihrem Licht auch einen Schatten, den es zu erkennen gilt. Der Anpassungsdruck in unserem Land ist hoch sich mit seinen Gedanken in eine Mehrheitsmeinung einzuordnen. Wer nicht mit der gerade herrschenden Ideologie im „Kollektiv der Guten“ übereinstimmt wird oft als unanständig betrachtet und ausgegrenzt. Es findet keine breite öffentliche Diskussion über abweichende Meinungen statt. Ohne Korrektiv verrennt sich die deutsche Nation immer wieder in (selbst)zerstörerische Ideen. Einstmals sollte am deutschen Wesen die Welt genesen. Heute sucht man das Heil in der Auflösung der eigenen kulturellen Identität und damit erodiert das kulturelle Fundament unserer Gesellschaft. Es gibt kein Maß und keine Mitte. Das aber kann nur passieren, weil man sich in unserem Land bereits auf individueller Ebene so sehr schämt die eigenen Schatten zu betrachten. Dabei wäre das doch einfach nur menschlich;
sei a Mensch (jiddisch, Bedeutung: sei eine Person von Integrität).


Eine Blüte des Schalom als Herzsymbol
Die Blüte des Lebens in der Mitte des Friedensmals steht als Herzsymbol für den mit dem Leben verbundenen Menschen.



Die Bedeutung der Heilung unserer kulturellen Wurzeln

Die Heilung kultureller Wurzeln ist ein universelles Anliegen. Jede Gesellschaft hat ihre eigene Geschichte und ihre eigenen Herausforderungen. So wie die deutsche Kultur heute einen Impuls zur Heilung ihrer historischen Wunden benötigt, gilt dies auch für viele andere Kulturen weltweit. Der Prozess der Anerkennung und Heilung ist entscheidend, um ein tieferes Verständnis und eine stärkere Verbindung zu den eigenen kulturellen Wurzeln zu entwickeln. Dies fördert ein Bewusstsein, das Freiheit und gegenseitigen Respekt in der globalen Gemeinschaft unterstützt.

Wie ein Baum gesunde Wurzeln braucht, dass sich seine Äste dem Himmel entgegenstrecken können, so verhält es sich auch bei einer Kultur. Sie hat ihr Fundament, sie hat ihre Wurzeln. Gerade die deutsche Kultur braucht heute den Impuls einer Heilung der eigenen Wurzeln wie ihn dieses Projekt vermitteln will. Darin wird deutlich, dass Freiheit nur einer inneren Bewusstheit entspringen kann, die weiß, worin die eigene Kultur gegründet ist und daher dem Geist im Menschen Zuversicht und Schutz geben kann, die Himmel zu entdecken.

Es braucht also die Anerkennung der Wurzeln der eigenen Kultur, insbesondere in der deutschen Kultur der Wurzel „Jerusalem“ und eine Heilung in dieser Beziehung. Damit wird das tiefste Trauma der deutschen Nation zum Thema, den Mord an den Juden und damit die Zerstörung am eigenen kulturellen und geistigen Fundament. Thema wird damit eine Heilung in der deutsch-jüdischen Beziehung, das Wahrwerden eines neuen Schalom, wo es im tiefsten Sinne notwendig ist. So würde tatsächlich aus der deutschen und jüdischen Vergangenheit gelernt: dass der Mensch mutig für die Freiheit - gerade auch die Freiheit des Anderen - eintreten will.



Staub zu Licht - Heilung seelischer Wunden

Dieses Kapitel vertieft das Konzept der Heilung und Versöhnung. Es erörtert, wie Ignoranz, Selbstgerechtigkeit und Missgunst überwunden werden können, um eine bessere und heilere Welt zu schaffen. Es betont die Bedeutung von Freiheit im Kontext von Frieden und Verständnis.

Hier ist ein Ort, welcher für die Schönheit des Lebens und die Würde des Menschen steht. Hier kann dem Menschen die innere Sehnsucht nach Heiligkeit wieder bewusster werden: Wie kann die Heilung der seelischen Wunden im eigenen Leben erfahren werden? Wie lässt sich diese Sehnsucht in die Gesellschaft tragen? Eine „bessere Welt“, eine heilere Welt kann möglich werden, wenn Ignoranz, Selbstgerechtigkeit und Missgunst in den Beziehungen einem wahrhaftigem Umgang miteinander weichen. Die Inschrift „Wo sich Staub zu Licht wandelt“ unter dem Stein der Begegnung bezeichnet eine hoffnungsvolle Vision des Zusammenlebens und bedeutet, dass freie Menschen den Frieden, die Versöhnung und ein Verständnis von sich und anderen suchen. Dieser Ort - das vom Garten der Freiheit umrahmte Friedensmal mit dem Stein der Begegnung am Weg - ist ein Symbol dieser Idee. Er schafft eine Verbindung zu den Herzen der Menschen, wo sich Staub zu Licht wandelt.

Mehr über den geistigen Hintergrund dieses Projektes erfahren Sie in dieser Ausarbeitung über Nelly Sachs mit einigen ihrer Gedichte und einiges an interessanter Philosophie.


Worms am Horizont - Jerusalem Friedensmal
Blick in die Rheinebene mit Worms am Horizont. Diese Stadt war Teil des ehemaligen Jerusalem am Rhein.


Schlusswort

In Anbetracht dieser Erkenntnisse und der Reise durch die verschiedenen Facetten von Verantwortung, Ermutigung, kulturellem Erbe, Heilung und Freiheit erhebt sich eine wichtige Botschaft: Der wahre Weg zur Freiheit und zum Frieden liegt in der Anerkennung unserer kulturellen Wurzeln, der Heilung unserer seelischen Wunden und der Verantwortung für eine bessere Welt.

Die Einsichten, die wir aus der deutschen Geschichte gewinnen, mit ihren dunklen Schatten und leuchtenden Momenten, sind universelle Lehren. Sie zeigen uns, wie entscheidend es ist, für die Freiheit und Würde aller Menschen einzutreten, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem kulturellen Hintergrund. Unsere kulturellen Wurzeln, hier symbolisiert durch Jerusalem, bieten uns wertvolle Einblicke in die Bedeutung von Freiheit und Verantwortung – Einsichten, die weltweit Gültigkeit haben.

Die Vision des Zusammenlebens, bei der sich „Staub zu Licht wandelt“, ist eine universelle Hoffnung. Es ist die Aufgabe jedes Einzelnen, Vorurteile und Engstirnigkeit zu überwinden und sich für wahre Freiheit, Frieden und Verständnis einzusetzen. Das Friedensmal, als Symbol für diese Ideale, steht stellvertretend für das Bestreben vieler Menschen weltweit, an einer besseren Welt zu arbeiten.

Lasst uns daher aus der Vergangenheit lernen und mutig für das Wohl aller Menschen eintreten. Gemeinsam können wir an einer Welt arbeiten, in der Frieden, Freiheit und Heilung nicht nur möglich, sondern Wirklichkeit sind.




zurueck2
Stein der Begegnung

weiter2
Wandel und Erkenntnis

  © 2024, Text & Bild, Stiftung Friedensmal | Kontakt & Impressum | English Site
Besucherzähler kostenlos