Wandel und Erkenntnis Ein Schlüssel für die Befreiung

Kapitel: Projekt / Wandel und Erkenntnis



Für eine Kultur der Freiheit


Einleitung

Im Kapitel „Wandel und Erkenntnis“ begeben wir uns auf eine tiefgreifende Reise, die uns durch die Tiefen der deutschen Geschichte führt und zugleich Wege in die Zukunft aufzeigt. Diese Reise erfordert es, die Notwendigkeit eines Wendepunkts im Umgang mit unserer kollektiven Vergangenheit zu erkennen – ein Wendepunkt, der kein Ende, sondern einen Neuanfang markiert, geboren aus der Liebe zur Wahrheit und zur Freiheit.

Die Betrachtungen in diesem Kapitel gehen weit über das spezifische Thema der deutschen Vergangenheit hinaus. Sie richten den Blick auf universelle Themen der Selbsterkenntnis und der Veränderung. Denn, wie es treffend im Text „Wandel und Erkenntnis“ heißt: Wir können vielleicht nicht die gesamte Welt ändern, aber jeder von uns kann ein Licht der Ermutigung und des Wandels sein. Unsere Bereitschaft zur Veränderung und Selbsterkenntnis ermöglicht es uns, über Grenzen hinweg die Herzen anderer zu berühren und einen Dialog zu fördern.

Während Mahnmale der Vergangenheit und die Erinnerungskultur in Deutschland wichtige Elemente sind, reichen sie alleine nicht aus. Es bedarf mehr als des Mahnens und Erinnerns; es bedarf der Wertschätzung des Lebens, der Hoffnung und vor allem der Liebe - erfahrbar im eigenen Leben. Das Friedensmal steht als ein Symbol für diesen Paradigmenwechsel, nicht nur in Bezug auf die Vergangenheit, sondern auch für das Heute und Morgen. Es ist ein Zeichen der Hoffnung und des Wandels, ein Segen, der sogar über die Grenzen Deutschlands hinausreichen darf und für die universelle Botschaft von Frieden und Verständigung wirkt.

In diesem Kapitel wird auch die Bedeutung einer „Kultur der Freiheit“ erforscht, die aus den Erfahrungen von Faschismus und Krieg hervorgeht und globale Relevanz besitzt. Es geht darum, die Verantwortung zur Freiheit als tragfähige Antwort für Gesellschaften weltweit zu erkennen. Wir betonen die Notwendigkeit, sich von ideologischer Gefangenschaft und innerem Leiden zu befreien, um den Weg zu einem globalen Frieden und zu universeller Freiheit zu ebnen.

Das
Friedensmal erweist sich als ein Ort der Heilung, der Integration und der Zukunftsvision, der uns einlädt, die tiefen Wunden der Vergangenheit zu heilen und einen neuen Weg der Freiheit und des Friedens zu beschreiten – ein Weg, der ganz natürlich aus sich selbst heraus über nationale und kulturelle Grenzen hinausgeht. Sie sind eingeladen sich auf diese Reise durch die Geschichte und Zukunft Deutschlands zu begeben, mit der Hoffnung, dass jeder von uns zu einem Licht der Ermutigung und des Wandels - überall auf der Welt - werden kann.


Paradigmenwechsel in der Erinnernungskultur

Im Jahr 1998, zur Zeit der Debatte über einen Bau eines zentralen Mahnmals in Berlin für die ermordeten europäischen Juden, hatte ich die Idee für dieses Projekt. Ich glaubte, dass eine auf Mahnmale und Kriegsdenkmäler ausgerichtete Erinnerungskultur auch einen positiven Ansatz braucht, der für ein neues Leben steht. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern weltweit. Erst so entsteht auch ein Zugang ohne Schuldgefühle, welche die Menschen so oft in eine Abwehrhaltung bringen. Mahnen und Erinnern alleine reicht nicht. Im Gedenken braucht es auch Leben und Hoffnung. Es braucht vor allem eine Heilung der tiefen Wunden. Auf dem Weg dazu findet erst die Integration statt, dass man dann wirklich sagen kann, dass etwas aus der Vergangenheit gelernt wurde; dass sich Vergangenheit nicht in einem anderen Gewand wiederholt.


Die Idee vom Friedensmal

Die Idee des Friedensmals symbolisiert einen Wandel im Umgang mit der Vergangenheit, der nicht nur für Deutschland, sondern für alle Nationen, die sich mit schwierigen historischen Ereignissen auseinandersetzen müssen, von Bedeutung ist. Es ist kein Mahnmal für die Vergangenheit, sondern ein Friedensmal für die Gegenwart und Zukunft. Inspiriert von den Worten der jüdischen Dichterin Nelly Sachs, „Aber die ihr den Staub nicht von eurer Sehnsucht schütteltet. Die ihr stehenbliebt, dort, wo er zu Licht verwandelt wird“, lädt es uns ein, diese Transformation aktiv zu leben.


Der Wendepunkt - Jenseits von Mahnmal und Schlußstrich

Wir stehen eben nicht vor dieser Wahl: Entweder halten wir krampfhaft an der Vergangenheit fest oder wir ziehen einen Schlussstrich, was letztlich Selbstbetrug wäre. Die dritte Möglichkeit ist nämlich der Wendepunkt. Eine reine Mahnmalkultur ohne die Hoffnung auf Frieden und Leben ist eher ein Teil des Problems als eine Lösung. Statt Druck und Fingerzeigen bedarf es einer tiefen Reflexion, eines Innehaltens und des Ausbruchs aus dem Anpassungsdruck, der die Menschen nicht sein lässt, sie klein macht, ihnen vorschreibt, sie müssten perfekte Wesen sein, so wie es die Gesellschaft gerade definiert hat. Es seien also Wesen ohne Schatten, die eine perfekte Nation bilden. Wir müssen lernen, das Leben in all seiner Vielfalt – wie es ein Regenbogen symbolisiert – anzunehmen. Dieser Wendepunkt bedeutet, ohne neuen Perfektionismus oder eine totalitäre Ideologie „des neuen Guten“ auszukommen, um nicht erneut in die Fallen der Vergangenheit zu tappen.


Ein Regenbogen über dem (Jerusalem) Friedensmal
Nach dem Setzen des Wendepunkts durch Rabbiner Mendelson kam ein großer Regen und dann erschien ein Regenbogen Richtung Jerusalem (Film)


Das Friedensmal als Wegweiser

Das Friedensmal zeigt einen Weg auf, wie wir mit der jüngeren Vergangenheit umgehen können, ohne dass das Konzept einer „deutschen Erbschuld“ weiteres Unheil verursacht. Die aktuelle politische Situation in vielen Ländern zeigt, dass dieser Teufelskreis von Schuld und Wiederholung eine globale Herausforderung ist. Das Friedensmal steht für den Ausbruch aus diesem Kreislauf. Es erfordert Selbsterkenntnis, die zu echter innerer Veränderung führt, und vor allem die Bereitschaft jedes Einzelnen, diesen Weg der Transformation anzunehmen.



Für eine Kultur der Freiheit: Lektionen aus der Geschichte

Dieses Kapitel baut auf den vorherigen Überlegungen auf, indem es die Bedeutung der deutschen Geschichte im Kontext von Faschismus und Krieg betrachtet und diese Erfahrungen in eine breitere, universelle „Kultur der Freiheit“ einbettet. Die Erfahrungen mit Faschismus und Krieg, die weltweit zu vielen Millionen Toten führten, sind nicht nur ein Teil der deutschen Geschichte, sondern auch ein mahnendes Beispiel für die gesamte Menschheit. Es geht darum, diese Erfahrungen so zu transformieren, dass sie zu Heilung und Freiheit führen, anstatt sich in neuer Form zu wiederholen.

Der Stein der Begegnung am Eingang der Friedensstätte trägt die Inschrift „…dass wir die Zäune im Miteinander erkennen“. Diese Worte erinnern uns daran, dass das Erkennen und Anerkennen verschiedener Sichtweisen auf die Welt uns dabei hilft, die Gefangenschaft in engen Ideologien zu überwinden. „Ideologie“ kann ein umzäuntes intellektuelles Gelände sein, doch das Leben erstreckt sich weit darüber hinaus. In vielen Teilen der Welt, nicht nur in Deutschland, wurden schwere Erfahrungen mit der Gefangenschaft in Ideologien gemacht. Wahre Freiheit beginnt mit der Fähigkeit, frei zu denken und sich zu trauen, jegliche Ideologie zu hinterfragen. Dies erfordert Mut, neue Wege des Denkens und des Ausdrucks zu beschreiten und einen offenen Meinungsaustausch zu fördern.

Die Ursachen für dunkle Zeiten, wie sie im Dritten Reich zu finden sind, liegen nicht allein im Bösen, sondern auch in subtileren Dynamiken der menschlichen Natur. Warum ließen sich so viele Menschen täuschen und zum Schweigen bringen, anstatt Unrecht anzuprangern, als es noch möglich war? In der heutigen Erinnerungskultur darf es nicht nur um das Vermitteln von Scham- und Schuldgefühlen gehen, sondern vielmehr um die Beantwortung dieser Frage. Der „Garten der Freiheit“, in dem sich das Friedensmal befindet, symbolisiert diese Verantwortung. Was wir weltweit brauchen, ist eine Kultur und Erziehung zur Freiheit, die beim Individuum beginnt. Die Lektionen aus der Vergangenheit zeigen, dass ohne diese Kultur der Freiheit totalitäre Systeme leichtes Spiel haben. Es ist notwendig, dass wir uns gegen das aussprechen, was als politisch korrekt gilt, aber unserer tiefsten Überzeugung nach falsch ist. Die Vergangenheitsbewältigung muss diesen Zusammenhang berücksichtigen und darf ihn nicht vergessen.


Die Tänzerin Natalia Pienkina zu Besuch
Performance der ukrainischen Tänzerin für Frieden und spirtuelles Erwachen (Video)


Überwindung von Schuld und Feindbildern

Menschen lassen sich mit Gefühlen wie Schuld, Scham und Ohnmacht kontrollieren. Wenn die Vergangenheit instrumentalisiert wird, um eine Gesellschaft auf diese Weise zu kontrollieren, verhindert dies, dass wahrhaftig aus der Vergangenheit gelernt wird. Die wahre Lektion aus negativen Ereignissen sollte positiv sein, wie zum Beispiel die Entwicklung eines unbedingten Freiheitswillens. Wenn das "Lernen aus der Geschichte" mit Gefühlen von Schuld, Scham oder Kleinheit verbunden wird - für Menschen die persönlich nicht schuldig wurden - zeigt dies, dass es in Wirklichkeit nicht in erster Linie um ein echtes Lernen ging, sondern eine andere politische Agenda.

Die Neigung von Menschen, Gruppen oder Gesellschaften, sich auf Feindbilder zu konzentrieren, wie 'die Zionisten', 'die Palästinenser', 'der digital-finanzielle Komplex' oder andere, ist ein globales Phänomen. Diese Feindbilder binden jedoch die Kraft, wirklich frei zu werden. Wahre Freiheit entsteht aus dem Inneren, ein Prozess, den ich im Friedensmal dargestellt habe. Wir leben in einer Welt der Geschichten und Projektionen – das Äußere spiegelt oft das Innere wider. Wenn man seine Energie auf Feindbilder richtet, gibt man diesen damit nur noch mehr Bedeutung in der realen Welt. Die Neigung, einfache Erklärungen für komplexe Dynamiken zu suchen, führt oft zu Missverständnissen und verhindert ein tieferes Verständnis der Realität.

Die Erkenntnisse über Bewusstsein und Heilung im Umgang mit der Vergangenheit sind für Individuen und Gesellschaften weltweit von Bedeutung. Sie führen uns zu einer tieferen Reflexion darüber, wie die innere Entwicklung jedes Einzelnen positive Auswirkungen auf die Gesellschaft haben kann. Individuelles Erwachen und Verantwortung für die eigene innere Freiheit sind der Schlüssel zu echtem Frieden und gesellschaftlichem Wandel. Das Friedensmal steht symbolisch für eine verantwortungsvolle und friedliche Auseinandersetzung mit belasteter Vergangenheit. Es zeigt, dass durch eine Kultur der Freiheit und des mündigen Bürgertums, in der das Recht auf freie Meinungsäußerung zentral ist, gesellschaftliche Lektionen aus der Vergangenheit gelernt werden können. In diesem Sinne erinnert uns das Friedensmal daran, dass der Weg zu Frieden und Freiheit bei jedem Einzelnen beginnt. Die Erziehung zur Freiheit gibt uns das Rüstzeug zur Befreiung aus der Erziehung (kokhavim).


Besuch jüdische Gemeinde - Garten der Freiheit
Das jüdische Fest Lag baOmer am Friedensmal im Garten der Freiheit


Hinwendung zum Leben: Selbsterkenntnis und Befreiung

Dieses Kapitel widmet sich einer vertieften Betrachtung von Selbsterkenntnis und Befreiung und betont die Bedeutung der Selbstveränderung und Verantwortungsübernahme. Die Macht, sich selbst zu ändern und dadurch das eigene Schicksal zu beeinflussen, ist eine universelle Wahrheit. Der Versuch, andere Menschen oder ganze Nationen von außen zu ändern, ist oft zum Scheitern verurteilt; wahre Veränderung muss von innen kommen. Die Herausforderungen, die aus den dunklen Kapiteln der Geschichte entstehen – sei es in Deutschland oder anderswo –, haben oft ihre Wurzeln in nationalen oder kulturellen Charakteristika. Solange diese nicht erkannt und konfrontiert werden, besteht die Gefahr, dass sich negative Aspekte der Vergangenheit wiederholen. Selbsterkenntnis bedeutet, aus dem Gefängnis der eigenen Selbsttäuschung - auch des eigenen Narzismus - herauszutreten und sich von Illusionen zu befreien. Dies ist der Kern einer wahren Hinwendung zum Leben und der Befreiung von Schuldgefühlen. Die Selbsterkenntnis, die das Friedensmal verkörpert, schafft die Voraussetzungen für eine nachhaltige Bewältigung zeitgenössischer Herausforderungen in Deutschland und darüber hinaus.


Die Schwelle der Demut

„Erkennet das Heilige in eurer Mitte“ fordert uns auf, in uns selbst und nicht in äußeren Projektionen nach dem Heiligen zu suchen. Die Schwelle der Demut, die den Eingang zum Friedensmal markiert, symbolisiert diesen Übergang ins eigene Innere. Es geht um das Erkennen und Überwinden von Täuschungen, sei es durch Ideologien oder emotionale Verstrickungen, die uns daran hindern, unser wahres Selbst zu finden. Hier beginnt der Weg zu Frieden und Freiheit. In diesem Prozess stellt sich der Mensch seinen ideologischen und emotionalen Bindungen, die ihn daran hindern, zu sich selbst zu kommen. Auch Religion kann zur Ideologie werden, wenn sie nicht als Weg zur persönlichen Entwicklung verstanden wird. Das Friedensmal erinnert uns daran, dass der spirituelle Weg ein Weg des Vorwärtsgehens ist, nicht des Stillstands.



Ein Ort der Ermutigung - Im Baum des Lebens

Andere Menschen zu ändern ist nicht möglich. Jeder Mensch kann jedoch für Andere zu einer Ermutigung für die Hinwendung zum Leben werden, wenn er fähig ist durch sein Wesen ihre Herzen zu berühren. Das Friedensmal liegt in der Natur am Wanderweg. Hier darf man ein Stück Frieden und Inspiration in die Alltagswelt mitnehmen. Angesichts einer leidvollen Erfahrung des Menschen in der Welt zeigt das zentrale Element der Friedensstätte den Baum des Lebens als Weg zum inneren Frieden. Diese symbolische Darstellung erinnert uns daran, dass Frieden und Heilung von innen kommen müssen.

Besucher des Friedensmals können hier ein positives Beispiel einer Gedenkkultur erleben, die nicht nur in die Vergangenheit blickt, sondern auch den Weg in eine würdevolle und freie Zukunft weist. Es ist ein Ort, der zeigt, dass echte Würde und Freiheit aus dem Mut entstehen, sich der Vergangenheit zu stellen und gleichzeitig nach vorne zu schauen. In diesem Sinne ist das Friedensmal mehr als nur eine Erinnerungsstätte; es ist ein lebendiges Symbol für die Möglichkeit der Transformation und des persönlichen sowie kollektiven Wachstums.


Ein Tanz im Friedensmal
Tanz der Regenbogenmenschen beim Fest der Einweihung des „Steins der Begegnung“


Schlusswort

Die Einsichten aus unserer Reise durch die Geschichte und die mögliche hoffnungsvolle Zukunft für die Menschheit zeigen uns eine zentrale Botschaft, die weit über die Grenzen Deutschlands hinaus Bedeutung hat: Der Wendepunkt, den die Weltgemeinschaft anstrebt, liegt in der Selbsterkenntnis und der Bereitschaft zur Veränderung. Jede Nation hat ihre dunklen, teils sogar schwarzen Kapitel der Vergangenheit, doch diese sollten nicht wiederholt, sondern transformiert werden. Die Erinnerung an unsere Geschichte weltweit sollte nicht dazu führen, uns in Schuld und Scham zu verstricken, sondern uns zu verantwortungsvollem Handeln und echter Freiheit zu inspirieren. In einer globalen Kultur der Freiheit, geprägt von gegenseitigem Respekt und freiem Denken, können wir gemeinsam die Fehler der Vergangenheit überwinden.

Selbstveränderung und Selbsterkenntnis sind essentiell, um sich von ideologischer Gefangenschaft und innerem Leiden zu befreien. Dies ist der Pfad zum Frieden und zur Freiheit, den Menschen überall auf der Welt anstreben. Der
Baum des Lebens im Friedensmal erinnert uns daran, dass wahre Ermutigung und Inspiration oft aus einem Ort der Selbstakzeptanz und des inneren Friedens stammen. Jeder von uns kann ein Licht der Ermutigung und des Verständnisses sein, indem wir durch unser eigenes Sein und unsere Empathie die Herzen anderer berühren. Eine Zukunft in Würde und Freiheit ist möglich, wenn wir den Mut haben, unserer Vergangenheit zu transzendieren, indem wir die Veränderung in uns selbst und ein Heilsein im Sinne einer Rückbindung an die lebensschaffende Quelle (Religio) zulassen. Diese Reise der Selbsterkenntnis und des Mitgefühls ermöglicht es uns, einen Beitrag zu einer Welt zu leisten, in der Respekt im Miteinander und Verständnis gedeihen können.




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